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Die Basler Wohnraumschutzbestimmungen sind inzwischen seit einem Jahr in Kraft. Was sind die ersten Erkenntnisse und Erfahrungen aus diesem Jahr?

Spürbar ist bei vielen Bauherren eine grosse Verunsicherung, die sich in Zurückhaltung beim lancieren neuer Projekte äussert. Wer nicht unbedingt ein Sanierungsprojekt starten muss, wartet aktuell ab und beobachtet die weitere Entwicklung. Eine spürbare Praxis der Wohnschutzkommission (WSK) hat sich noch nicht entwickelt. Auch ist die Anzahl durch die WSK beurteilter Gesuche – soweit dies kommuniziert worden ist – ebenfalls noch sehr überschaubar.

Bewahrheitet hat sich zudem die Befürchtung, dass das neue Wohnraumschutzgesetz auch die Bürokratie weiter verstärkt. Die neu geschaffenen Formulare, mit welchen Baugesuche seit dem 28. Mai 2022 ergänzt werden müssen, sind umfangreich und kompliziert. Selbst das «vereinfachte Verfahren» bedingt ein Gesuchsformular mit mind. 17 (!) Seiten. Hier sind Politik und Verwaltung gefordert, das Bauen wieder einfacher zu machen.

Aufhebung des Rückkehrrechts von Mieterinnen und Mieter
Eine wesentliche Entwicklung gab es in Bezug auf das Rückkehrrecht von Mieterinnen und Mieter gem. § 8a Abs. 3 lit. a WRFG. Dieses wurde vom Bundesgericht als bundesrechtswidrig aufgehoben (Entscheid 1C_759/2021 vom 19. Dezember 2022). Somit kommt das Rückkehrrecht – ein zentrales Versprechen des Mieterverbandes im Abstimmungskampf – nicht zur Anwendung.

Die übrigen geprüften Bestimmungen des basel-städtischen Wohnraumfördergesetzes, insbesondere die Bewilligungspflicht für Sanierungen oder die Beschränkung von Mietzinserhöhungen im Anschluss an eine Sanierung, wurden als öffentlich-rechtliche Bestimmungen qualifiziert, welche nicht gegen Bundesrecht verstossen. Diese Bestimmungen bleiben somit bestehen.

Begründung von Stockwerkeigentum?
In unserer Beratungstätigkeit haben wir festgestellt, dass insbesondere auch bei der Begründung von Stockwerkeigentum eine grosse Verunsicherung herrscht. Vielen privaten Grundeigentümern war nicht bewusst, dass sie durch dieses Gesetz bei der Begründung von Stockwerkeigentum neu einer Bewilligungspflichtunterstellt sind. Will eine Eigentümerin ihre Liegenschaft zur Aufteilung an ihre Nachkommen in Stockwerkeigentum aufteilen, ist die Konsternation gross, wenn diese Entscheidung neu von der WSK bewilligt werden muss.

Die Voraussetzungen, um eine Bewilligung zu bekommen, sind schwammig definiert. Die Eigentümer müssen bestätigen, dass die Wohnungen über eine Zentralheizung, sanitäre Einrichtungen sowie die dafür notwendigen Anschlüsse verfügt. Darüber hinaus muss ein angemessener Standard für Stockwerkeigentum bestehen. Was genau unter dem «angemessenen Standard» zu verstehen ist, ist unklar. Eine Praxis der WSK liegt noch nicht vor.

Ganz grundsätzlich stellt sich zudem die Frage, ob diese Bewilligungspflicht nicht gegen Bundesrecht verstösst. Mit dieser Frage hat sich auch schon der Regierungsrat in seinem Ratschlag an den Grossen Rat über die Gültigkeit der Wohnschutzinitiative auseinandergesetzt. Darin ist der Regierungsrat zum Schluss gekommen, dass die Bewilligungspflicht zulässig sei, weil sie den Kerngehalt der Eigentumsgarantie nicht verletze. Zum geschützten Kerngehalt der Eigentumsgarantie gehört, dass die Möglichkeit zum Erwerb, zur Nutzung und zur Weiterveräusserung im Grundsatz bestehen bleiben muss. Inwiefern diese Bewilligungspflicht tatsächlich einer gerichtlichen Überprüfung standhält, wird sich noch zeigen. Grundsätzlich ist das Stockwerkeigentum (inkl. dessen Begründung) abschliessend in den Art. 712a ff. ZGB geregelt. Ob kantonale Bestimmungen diese bundesrechtlichen Voraussetzungen ergänzen und erschweren können, ist unseres Erachtens fraglich. Trotzdem wurden die Bestimmungen zur Bewilligungspflicht bei der Neubegründung von Stockwerkeigentum vom Grossen Rat – wohl auch nach dem Grundsatz in dubio pro populo – als zulässig erachtet. Eine gerichtliche Überprüfung wäre im Einzelfall aber möglich.

Fazit
Die neuen Wohnschutzbestimmungen haben das Bauen in Basel definitiv komplizierter gemacht. Vor allem sorgen sie auch ein Jahr nach deren Einführung für viele offene Fragen und grosse Unsicherheit. Es wäre zu begrüssen, wenn die WSK über ihre Praxis öffentlich kommunizieren würde. Sie könnte durch eine transparente Praxis viel zur Klärung der offenen Fragen beitragen. Auch von Seiten der Bewilligungsbehörden sollten Fragen wieder einfacher zusammen mit den Bauinspektorinnen und Bauinspektoren geklärt werden können. Die Forderung nach einer Vereinfachung und Beschleunigung des ganzen Bewilligungsverfahrens ist zudem ein grosses Anliegen vieler Bauherrschaften.

Dominik Junker

MLaw, Advokat