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In fünf Ausgaben der Zeitschrift „Hausbesitzer“ erschien eine Reihe von Dr. Agnes Dormann zu aktuellen und praxisrelevanten Fragen der persönlichen Vorsorge, welche der Leserschaft anhand der Geschichte einer fiktiven Familie die verschiedenen Bereiche der persönlichen Vorsorge näher brachte. Diese Reihe wird mit freundlicher Genehmigung des „Hausbesitzers“ an dieser Stelle im Intervall von 14 Tagen veröffentlicht. Heute: Teil 3 – Vorsorgeauftrag, Generalvollmacht und Patientenverfügung.

Die Notarin, die Liliane und Franz Winzer-Vizou aufgesucht haben, entwirft nach dem Beratungsgespräch zwei Vorsorgeaufträge, in der die beiden Ehegatten sich gegenseitig als Vorsorgebeauftrage sowie ihre beiden Kinder Clara und Anthony als Ersatzvorsorgebeauftragte einsetzen.

Weil eine Generalvollmacht sofort gültig ist, nicht durch die KESB validiert werden muss und das Handeln vertrauenswürdiger Vertreter auch ermöglicht, wenn keine Urteilsunfähigkeit diagnostiziert ist, empfiehlt die Notarin auch die Ausstellung einer solchen. Sowohl Liliane als auch Franz unterzeichnen je eine Generalvollmacht, in der sie sich gegenseitig sowie die beiden Kinder je einzeln als Generalbevollmächtigte einsetzen. Weil Liliane und Franz auch Eigentümer mehrerer Liegenschaften sind, die sie als Alleineigentümer, teilweise aber auch als Eigentümer zu gesamter Hand halten, ist in beiden Generalvollmachten ausdrücklich vermerkt, dass die Bevollmächtigten auch über die Liegenschaften verfügen dürfen — sei es zum Verkauf, zur Belastung mit Hypotheken oder Dienstbarkeiten oder zu anderen Zwecken.

Nach der Unterzeichnung der beiden Vorsorgeaufträge in öffentlicher Urkunde können diese bei der zuständigen Behörde hinterlegt werden (BS: KESB Basel; BL: Zivilrechtsverwaltung/Erbschaftsamt). Damit ist insbesondere bei alleinstehenden Personen sichergestellt, dass der Vorsorgeauftrag im Ernstfall aufgefunden und angewendet wird.

Gleichzeitig lässt die Notarin ihren beiden Klienten auch ihr Muster einer Patientenverfügung zukommen. Meines Erachtens sind die wichtigsten Aspekte einer Patientenverfügung die Einsetzung eines oder mehrerer Patientenvertreter und die Bekanntgabe des Entscheides, ob man im Ernstfall reanimiert und/oder auf einer Intensivstation behandelt werden will. Solange man ansprechbar ist, kann man immer selber entscheiden. Für nahestehende Personen, sei es Familie oder andere Vertraute, ist es jedoch sehr gut zu wissen, wie jemand zu diesen Fragen steht. Erst recht sinnvoll ist es, diese Meinung in einer Patientenverfügung kundzutun, wenn man alleinstehend ist. Sind keine Patientenvertreter eingesetzt, können — in einer Art Kaskade — der Ehegatte, die Mitbewohnerin, die Kinder, die Eltern und die Geschwister, sofern alle diese Personen der urteilsunfähigen Person regelmässig und persönlich Beistand leisten, über medizinische Massnahmen entscheiden (Art. 378 ZGB).

Eine Patientenverfügung muss schriftlich verfasst und unterschrieben werden. Es ist empfehlenswert, in einer ständig mitgeführten Kurz-, bzw. Notfallversion die Patientenvertreter mit Mobiltelefon-Nummern aufzulisten und festzuhalten, ob eine Reanimation und/oder eine Behandlung auf der Intensivstation erwünscht ist. Damit ist zum Beispiel bei einem Autounfall oder einem plötzlichen Zusammenbruch auf der Strasse für die Sanitäter sofort klar, welche Massnahmen sie vornehmen dürfen und wen sie kontaktieren müssen. In der eigentlichen Patientenverfügung kann man festlegen, welchen medizinischen Massnahmen man im Fall der Urteilsunfähigkeit zustimmt. Geregelt werden darin insbesondere auch Themen wie lebenserhaltende Massnahmen, künstliche Ernährung und Beatmung, Koma, Organspende und die Entbindung der Ärztinnen vom Berufsgeheimnis.

In der Regel erhält der Hausarzt ein Exemplar der Patientenverfügung. Noch besser als die mitgeführte Notfallversion ist es, ein Originaldokument bei der Stiftung Medizinische Notrufzentrale Basel (MNZ) oder beim Roten Kreuz zu hinterlegen. Damit ist garantiert, dass die Patientenverfügung im Bedarfsfall an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr abgerufen werden kann; sie also Ärztinnen und Spitälern zur Verfügung steht. Die Stiftung MNZ erinnert nach zwei bis drei Jahren zusätzlich an die Überprüfung des Dokuments.

Einige Wochen, nachdem Liliane die Patientenverfügung ausgefüllt und bei der Stiftung MNZ hinterlegt hat, steckt sie sich mit dem Corona-Virus an. Ihr Zustand verschlechtert sich rapid, und sie ist auf künstliche Beatmung angewiesen. Da die Ärzte bei Lilianes Eintritt ins Spital ihre Patientenverfügung konsultieren konnten, wussten sie, dass Liliane der künstlichen Beatmung zustimmt. Wenige Tage darauf ist sie glücklicherweise schon wieder auf dem Weg der Besserung und zwei Wochen nach ihrer Beatmung wird sie aus dem Spital entlassen.

Agnes Dormann

Agnes Dormann

Anwältin und Notarin, Fachanwältin SAV Erbrecht, Mediatorin SAV