In fünf Ausgaben der Zeitschrift „Hausbesitzer“ erschien eine Reihe von Dr. Agnes Dormann zu aktuellen und praxisrelevanten Fragen der persönlichen Vorsorge, welche der Leserschaft anhand der Geschichte einer fiktiven Familie die verschiedenen Bereiche der persönlichen Vorsorge näher brachte. Diese Reihe wird mit freundlicher Genehmigung des „Hausbesitzers“ an dieser Stelle im Intervall von 14 Tagen veröffentlicht. Heute: Teil 1 – Gesetzliche Vertretung.
Jede Person kann für Notfälle respektive für den Fall des Todes in drei verschiedenen Bereichen Entscheidungen treffen, die gemeinhin als „persönliche Vorsorge“ bezeichnet werden:
- Wer handelt für mich, wenn ich selber nicht entscheiden und/oder handeln kann: Stellvertretung und die Erteilung von Vollmachten, Vorsorgeauftrag.
- Welche medizinischen Massnahmen sollen ergriffen werden, wenn ich auf der Strasse zusammenbreche und die Ambulanz gerufen wird: Patientenverfügung, Einsetzen von Patientenvertreterinnen.
- An wen soll mein Eigentum gehen, und wer soll sich um meine Sachen kümmern, wenn ich sterbe: Testament, Erbvertrag; eventuell Ehevertrag.
Die Vorsorge in den ersten beiden Bereichen kann mit einer Versicherung verglichen werden: Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Fall eintritt, ist nicht sehr hoch, nimmt mit dem Alter zu, kann aber auch in jungen Jahren eintreten — wir erinnern uns etwa an das Schicksal des Autorennfahrers Michael Schumacher. Aber grundsätzlich hoffen die meisten, dass ein Vorsorgeauftrag nie validiert, eine Generalvollmacht oder gar eine Patientenverfügung nie gezückt werden muss. Die Tatsache, dass wir irgendwann sterben müssen, ist hingegen leider eine traurige Wahrheit.
Das bringt uns zu unserer „Beispielfamilie“. Mir ist bewusst, dass es auch viele alleinstehende Personen gibt, bei denen sich die folgenden Fragen noch viel akzentuierter stellen. Ich werde diese Problemstellung in diesen Rahmen nicht prominent besprechen; weise aber darauf hin, dass nach dem Verlust des Partners die überlebende Partnerin ebenfalls alleine dastehen kann.
Das Leben von Liliane (78) und Franz (79) Winzer-Vizou hat sich mit Lilianes Unfall schlagartig verändert. Ein unaufmerksamer Autofahrer hat Liliane mit ihrem E-Bike den Weg abgeschnitten, sie ist schwer gestürzt, musste von der Ambulanz ins Spital gebracht und dort notoperiert werden. In den ersten Wochen auf der Intensivstation bekam Liliane so starke Medikamente, dass sie kaum je wirklich bei sich war. In dieser Zeit stapelten sich zu Hause die Post und damit auch die Rechnungen. Vor kurzem flatterte auch ein Einschreiben für Liliane ins Haus. Franz, der sich nie um administrative Aufgaben gekümmert hat, war mit der Situation überfordert.
Hier stellt sich die Frage: Wer handelt für mich, wenn ich es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr kann? Für den Verlust der Urteilsfähigkeit gibt es zwei Szenarien. Einerseits kann die Urteilsfähigkeit infolge Alter, Alzheimer oder Ähnlichem graduell verloren gehen; andererseits kann man sie plötzlich und unvorhergesehen, durch einen Unfall oder Hirnschlag zum Beispiel, einbüssen.
Unter Ehegatten sieht das Gesetz ein Vertretungsrecht explizit vor. Dank den Art. 166 und 374 ZGB kann ein Ehegatte den anderen sowohl in alltäglichen Situationen als auch für den Fall, dass er urteilsunfähig werden sollte, vertreten. Die Vertretungsmacht bei Urteilsunfähigkeit gilt für alle Rechtshandlungen, die zur Deckung des Unterhaltsbedarfs üblicherweise erforderlich sind sowie für die ordentliche Verwaltung des Einkommens und der übrigen Vermögenswerte; nötigenfalls beinhaltet sie auch die Befugnis, die Post zu öffnen und zu erledigen. Gestützt auf seine gesetzliche Vertretungsvollmacht kann Franz also das Einschreiben abholen und die Rechnungen zahlen, auch, wenn die Konti allein auf Liliane lauten würden. Weil ein gesetzliches Vertretungsrecht nur für Ehegatten, aber weder für Kinder, Eltern von Erwachsenen noch für andere Personen besteht, empfiehlt es sich, die unverheiratete Partnerin und weitere Personen auf einer von der Bank vorformulierten Vollmacht als Vertreter einzusetzen und das Dokument vorsorglich bei der Bank zu hinterlegen. Ferner empfehle ich auch die Ausstellung einer sogenannten Generalvollmacht, da sich die Vertretungsmacht des Ehegatten nur auf die üblicherweise erforderlichen Rechtshandlungen erstreckt und dieser unter Umständen ebenfalls verhindert sein könnte.
In der nächsten Ausgabe wird auf den Vorsorgeauftrag und die Generalvollmachten eingegangen.