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In der Schweiz und überall auf der Welt wird zurzeit geimpft. Gewisse Personen können es kaum erwarten, endlich geimpft zu werden. Andere sind skeptisch und wollen sich lieber nicht impfen lassen. Für gewisse Unternehmen ist die Impfung von Mitarbeitern von grosser wirtschaftlicher Bedeutung. Ein kleiner Überblick über die Rechtslage in der Schweiz.

Ausgangslage: Eine Impfpflicht für bestimmte Personengruppen ist grundsätzlich menschenrechtskonform

Eine Impfpflicht stellt zwar einen erheblichen Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit respektive den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und der Willensfreiheit des Einzelnen dar.

Grundsätzlich ist es gemäss aktuellster Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber zulässig, für bestimmte Personengruppen und unter bestimmten Bedingungen gestützt auf eine öffentlich-rechtliche Vorschrift eine Impfpflicht anzuordnen und bei verweigerter Impfung Geldbussen zu verhängen.

Rechtslage in der Schweiz

In der Schweiz gibt es keine gesetzliche Grundlage, die einen Impfzwang vorsehen und für die Verweigerung einer Impfung Sanktionen androhen würde.

Das Epidemiengesetz sieht die Möglichkeit vor, Impfungen unter bestimmten Umständen als obligatorisch zu erklären (vgl. Art. 22 und Art. 6 Abs. 2 lit. d EpG). Selbst bei einem Impfobligatorium darf jedoch niemand gegen seinen Willen geimpft werden. Impfungen dürfen in der Schweiz entsprechend dem ethischen Prinzip der Selbstbestimmung nicht mittels physischem Zwang erfolgen (Art. 38 Abs. 3 EpV).

Die Impfung gegen das Coronavirus wurde bislang weder vom Bund noch von den Kantonen für obligatorisch erklärt. Gegen ein solches Vorgehen hat sich der Bundesrat denn auch entschieden geäussert.

Impfpflicht gestützt auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers

Im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis kann die Anordnung einer Impfpflicht auf das Weisungsrecht des Arbeitgebers sowie dessen Fürsorgepflicht, Vorkehrungen zur Wahrung der Gesundheit seiner Mitarbeiter zu treffen, gestützt werden. Ähnlich wie bei der Helmtragpflicht auf Baustellen soll auch die Impfung die Gesundheit der Arbeitnehmer schützen.

Die Frage der Zulässigkeit einer Anordnung des Arbeitgebers, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, sowie eine darauffolgende Verwarnung und Missbräuchlichkeit einer Kündigung bei Verweigerung der Impfung ist in der Schweiz (noch) nicht höchstrichterlich geklärt. Unbestritten ist freilich, dass auch im Arbeitsverhältnis eine Impfung mittels physischem Zwang nicht erfolgen darf.

Die Anordnung einer Impfpflicht bedarf einer Güterabwägung im Einzelfall

Ob die Anordnung einer Impfpflicht im konkreten Fall zulässig ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden und hängt von den einzelnen Umständen ab.

Eine Impfpflicht gestützt auf die Weisungspflicht des Arbeitgebers erachten wir nur dann als zulässig, wenn eine konkrete – relativ hohe – Gefahr für die Gesundheit von Mitarbeitern oder Dritten besteht, die trotz Einhaltung aller möglichen Schutzmassnahmen entsteht.

Kann die Gesundheit vom Mitarbeiter selbst oder von Dritten (Patienten, Kunden, Arbeitskollegen) durch andere, weniger einschneidende Schutzmassnahmen, gewährleistet werden, soll eine Impfpflicht nicht zulässig sein.

Eine Mehrheit spricht sich für die Zulässigkeit einer Impfpflicht bei Tätigkeiten mit Kontakt zu besonders gefährdeten Personen aus (Tätigkeit als Pflegepersonal in Altersheimen, Spitälern, Praxen etc.). Dies nicht nur wegen des engen Kontakts zu den gefährdeten Personen, sondern auch deshalb, weil diese Tätigkeiten zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung von eminenter Bedeutung sind.

Eine Impfpflicht kann aber auch zulässig sein, wenn die Arbeit aufgrund von Vorschriften, auf die der Arbeitgeber keinen Einfluss hat, ohne Impfung nicht mehr ausgeübt werden kann (z. B. bei Flugpersonal, wenn internationale Flüge nur noch für geimpfte Personen erlaubt sind).

In den Fällen, in welchen eine Impfpflicht angeordnet werden kann, muss allerdings berücksichtigt werden, dass insbesondere junge und nicht zur Risikogruppe gehörende Mitarbeiter je nachdem noch gar keinen Impftermin bekommen. Verlangt der Arbeitgeber die Impfung von diesen Personen und ist dies nach erfolgter Güterabwägung zulässig, so muss der Arbeitgeber selbst die Impfung seinen Mitarbeitern zur Verfügung stellen.

Die für die Impfung auf Anordnung des Arbeitgebers aufgewendete Zeit hat als Arbeitszeit zu gelten.

Auch geimpfte Personen sowie Personen, die mit Geimpften zu tun haben, müssen die geltenden Hygienevorschriften (Tragen von Masken, Einhaltung von Abstand, Desinfektion von Händen und Arbeitsflächen) einhalten.

Alternative: Impfung nahelegen

Auch wenn die Einführung einer Impfpflicht im konkreten Fall unzulässig ist, so können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern jedenfalls immer dazu motivieren, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Der Arbeitgeber kann die Impfung durch Bereitstellung der Impfung, Übernahme von Kosten und Entgegenkommen, auch kurzfristige Impftermine wahrzunehmen zu können, erleichtern.

Lorena Steiner

Lorena Steiner

MLaw, Anwältin